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Karfreitag

Ein guter Tag, um über Schuld zu schwadronieren
copyright Rottweil ist überall

Meine Biographie ist voll davon.  Kleine Verfehlungen und dicke Schnitzer, wahrhaft Beschämendes, wenigstens Peinliches,  und lediglich Lässliches. Wenn schon Worte und Gedanken zählten – herrje – ich käm aus dem Beichten gar nicht raus. Und täglich kommt neue Schuld dazu, und sei es nur, weil ich nichts gegen das Elend  in der Welt unternommen habe.

Ich bin in guter Gesellschaft. Die Geschichte der Menschheit ist auch eine Geschichte von Schuld. SO voll, dass man geneigt sein könnte, sie als gegeben , als unvermeidbar und normal anzunehmen. Trotzdem, finde ich, reichen die Anstrengungen nicht aus, sie zu minimieren. Manchmal sind´s ja gar keine Anstrengungen; manches Tun ist bloß Alibi.

Da ist die Kirche auch nicht frei von.  Spenden darf man gerne, was damit getan wird, wird nicht verraten. Am massenhaften Missbrauch sind alle schuld – der Teufel, die Frauen, die 68er, der Messwein, und wenn´s von denen keiner war, dann waren´s die Marshmellows;  nur nicht die Täter. Für sie hat sich´s mit der Beichte erledigt. Es scheint eine Auslegung des Glaubens zu sein, die von der Schuld lebt, aber nicht  damit umgehen kann, die 1000 Schliche sucht und sich windet, um das Thema gebührend abzuhaken.   Und seh ich mir das Gebaren seit dem Feuer in Notre Dame an, dann denk ich, der Ablaßhandel hat nie wirklich aufgehört. Wer  Kohle hat, (und die, wer weiß, nicht ohne Schuld), der spendet jetzt.

Wunderbare Notre Dame  - ein Prestigebau der Kirche, prächtig und großartig, erhaben und ergreifend. Gebaut, um Gott – den einen, wahrhaften Gott, wie die Kirche ihn für sich beansprucht -  und das Übermächtige fühlbar zu machen. Und das ist gut gelungen! Es ist ein Jammer. Es ist zum Weinen. Aber so ist das, denk ich, alles hat seine Zeit – jetzt isse platt, die schöne Kathedrale. Schad drum. Paris, aber bleibt bestehen und ist dennoch Paris. Und die Erde dreht sich trotzdem. Und sie hat dringlichere Probleme.  

Die Kirche sagt nichts anderes. „Mir gäbet nix“. Weil in Frankreich die meisten Kathedralen dem Staat gehören. Das ist geschickt; so kostet auch der Unterhalt nichts. Und weil sie von Christen und Nicht-Christen besucht wird. Dieses Kreuz also trägt sie nicht. Damit hat sie nichts mehr zu schaffen. Der fühlbare Gott – jetzt sind andere zuständig. Als Hort des Gottesdienstes hat sie eh längst ausgedient.

Okeee.

Wenn Notre Dame für die Kirche keine Rolle mehr spielt, wenn sie als Gotteshaus nicht mehr gilt, dann darf die Frage nach Verwendung und Zweck neu gestellt werden. Wenn ein Grund für die Kirche, deren Prestigeobjekt das ist, sich nicht zu engagieren, darin begründet ist, dass dieser Ort auch von Nichtchristen besucht wird, dann mache man einen Hort des Multikulti draus, religionsübergreifend, kulturübergreifend, milieuübergreifend. Für Arme und Reiche, Weiße und Schwarze, Einheimische, Geduldete und Flüchtlinge.  Zum Wohnen, Schaffen, Meditieren oder  Beten, Geschäfte machen oder Party; Suppenküche neben Haut Cuisine; just for fun, und ohne den Anspruch, damit auf ewig die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Es lebe die Fantasie, es lebe der Zauber des Neuen.  

Die Fassade erhalten, vielleicht Grundriss und Chic und was vom Feuer verschont und erhaltenswert ist auch, und es machen wie mit anderen baulichen Schönheiten  auch  – ganz nonchalant aushöhlen und umwidmen.

So wird´s nicht kommen. Aber träumen ist erlaubt!

Es ist ein sonniger Feiertag. Für Christen und für Muslime. Nebenan singt der Imam. Und als ich später aus dem Fenster seh, seh ich die Gläubigen aus der Moschee strömen. Schwatzend stehen sie in der Straße und genießen die Frühlingssonne.  Es sind fast ausnahmslos junge Männer zwischen zwanzig und dreißig, geschätzt. Männer aller Couleur. Durchaus nicht bärtig und finster.

Die reifen Herren von der Ditib, die sich mir gegenüber freundlich reserviert geben, was in Ordnung ist, ich kenne ihre Erfahrungen nicht - hier öffnen sie sich. Hier wird ein fremder junger Mann integriert, hier darf er Teil von etwas sein.  Verstehen kann ich das.

Freilich - es gibt auch städtische, staatliche Integrationsbemühungen. Cafés und Sprechstunden, Spieleabende und Deutschkurse. Aber im Herzen trägt das Gros der Bevölkerung  Integration halt nicht. Ein jeder trage sein Kreuz allein! „Jeder für sich und Gott für uns alle“, so hieß es in der Schule vor den Klassenarbeiten. Wie Outsourcing. Wenn Gott zuständig ist, bin ich es nicht selbst.

Glaube in Ehren, aber es geschah schon sehr viel Schlimmes in der Welt, ohne dass ein Gott eingriff. Sich darauf auszuruhen, erscheint mir nicht recht.

Naja. Da weiß ich jetzt auch nicht weiter.

Ich geh zum Sohnemann. der spielt am Tablet. Ich kämme seine Haare und guck ihm über die Schulter. Erstmal sehe ich Blut spritzen. Ach du grüne Neune. Was´n das für´n Scheiß. Dann sehe ich ein verkleidetes Würstchen,  das um sein Leben rennt, unter Messern und Häckslern durch, über einen Grill hinweg, Katzenpfoten ausweichend, schwer beschuhten Füßen und Sandelschaufen in den Händen von kleinen Kindern, die ausholen wie mit der Streitaxt. Wenn man den Parcours schafft, bekommt man einen Panzer - dann ist man ein HotDog und hat das nächste Level erreicht.

Wir lachen uns miteinander schlapp. Dann ziehen wir uns an und gehen an den Friedrichsplatz, Döner essen.

Es ist Karfreitag. Asche auf mein Haupt.

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