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Und es kommt doch

Unsere Sorgen ums Christkind
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„Kommt es oder kommt es nicht?“ „Kann es überhaupt?“ Wochenlang trieb die Kinder die Sorge um, ob das Christkind dieses Jahr kommen kann. Und wochenlang sagte ich „natürlich! Ganz sicher! Das Christkind kommt!“ Ich habe konsequent Vorbereitungen getroffen, damit das dann auch stimmt. Ich habe für die Großen, die es zu beschenken gilt, ein paar Kleinigkeiten im örtlichen Einzelhandel und auf der abgespeckten Version des Weihnachtsmarktes gekauft, support your locals,  aber das meiste,  die Hauptgeschenke für die Kinder, das Oberste der Wunschliste - die es in einem Faller oder Merz hätte geben können, die  jetzt, da es keinen Faller oder Merz mehr gibt, in der Stadt heuer aber ohnehin nicht zu bekommen sind  - bestellt. Frühzeitig. Es war ja leicht sich auszumalen, dass Versandhandel und Lieferservices mehr als ausgelastet wären. Ich dachte, ein paar kleine Sächelchen noch und alles ist beisammen. Das Christkind kommt! 

Letzte Woche, da war die ursprünglich verkündete Lieferzeit bereits um ein Mehrfaches ausgeschöpft, hätte das Paket kommen sollen, dann Anfang dieser. Da kam eine Mail, „morgen“ und tags darauf nochmal „morgen“, und dann kam da auch nichts, und abends war da eine Mail - „zugestellt!“ Hä? Ich ging runter, kein Paket, guckte in den Briefkasten, keine Karte, fragte die Nachbarn, die hatten nichts. Das war nun also doch Anlass zur Sorge. Eine unruhige Nacht. Am andern Morgen beim Lieferdienst angerufen, mich mit diversen automatischen Hotlines herumgeplagt, die, sobald die Sendungsnummer eingegeben war, behaupteten „zugestellt“, daraufhin online mich über einen automatischen Chatpartner geärgert, der freundlich fragte „was ist dein Problem?“. „Ich habe kein Paket erhalten.“ „Ich lerne noch. Bitte benutze andere Worte.“ “Kein Paket.“ „Bitte benutze andere Worte.“ „Es hat keine Zustellung stattgefunden.“ “Bitte benutze andere Worte.“ „Keine Zustellung.“ „Bitte benutze andere Worte.“ „Depp!“

Bei so was weiß ich immer überhaupt nicht wohin mit meiner Wut. Megafrustig. Man ist so komplett aufgeschmissen. Ich will das Telefon an die Wand schmettern, aber das trifft mich nur selbst. Ich will den Chat aus der Steckdose ziehen und die Worte aus ihm schütteln, mit denen er was anfängt. Sonst zeig ICH IHM, womit ICH was anfange. Eine Frechheit. Wie kann man „zugestellt“ behaupten, wo nichts ist? Geht’s noch? Mittags die Paketshops abgeklappert, da lag nichts, aber ich bekam einen Tipp, wie eine echte menschliche Stimme an die Strippe bekomme. Tatsächlich daraufhin eine echte Frau gesprochen, Trost und Hoffnung erfahren, „wir kümmern uns drum!“. Wiederum eine Mail erhalten, „Bearbeitungszeit zwischen einer und drei Wochen“! Endgültig Zeter und Mordio geschrieen. Und so was will Götterbote sein. In der Not aufs Küchenbuffet gedonnert. Die Hand tat mir weh. In Panik geraten. Und das in diesem Lockdown. Alles ist zu. Was jetzt? Dem Götterboten eine Mail geschickt. ….“Machen Sie Witze? In einer Woche ist Heilig Abend. Die Bestellung liegt 4 Wochen zurück. Ich habe keine Ahnung, wie es geschehen kann, dass eine Sendung als zugestellt gilt, die nirgends liegt, bzw ein Vermerk dazu. Seriös ist das nicht, auch nicht in ´diesen Zeiten´, in denen Sie, das ist mir bewusst, extrem viel zu tun haben. Es macht es nicht einfacher und schneller, wenn solche Verwicklungen geschehen. Gerade wenn viel los, muss es korrekt laufen. Klar, nicht wahr?...“ Die Logik stimmt zwar, es waren nun zwei Kundenservices mit dem Paket befasst, plus Anfragen in drei Paketshops inklusive Gespräche mit diversen Fahrern, die es auch eilig hatten. trotzdem ist mir diese krätzige Ansprache im Nachhinein doppelt peinlich. Die folgende Nacht nahezu schlaflos verbracht, im Geiste Briefe  des Chriskinds an die Kinder formuliert, es tue ihm so leid, es sei leider doch nicht gegangen, hier Lieferengpass, da Quarantäne, dort geschlossene Grenzen und Überlastung, selbst das Christkind scheitert an Corona. Das von der Tante kommt zu OmaOpa, hoffentlich, und die Freundin hat´s mir auch schon gegeben, ausserdem habe ich stets ein paar Sächelchen deponiert, Übrigbleibsel irgendwelcher früherer Bestellungen, die dann doch aussortiert wurden, oder Second-Hand-Zeug, das unangemeldet ins Haus kam und für ein Geschenk taugt. „Hier ein paar Kleinigkeiten, ihr Lieben, damit ihr wenigstens was zum Auspacken habt, aber seid gewiss, Eure Wünsche sind gehört und sollen in Erfüllung gehen“. Irgendwie so. Und Schokoladenfondue statt ausgiebiger Bescherung, oder ein neues Spiel. Aber selbst die beste Idee wäre eine Notlösung, und dies freudige Aufwachen am ersten Weihnachtsfeiertag, wenn alles noch unterm Baum liegt und jetzt also ausgiebig bespielt werden kann, das würde fehlen. Ich war übermüdet und übellaunig. Kein Funke adventlicher Vorfreude. Es fehlte nicht viel, und ich wäre bereit dieses Fest aus dem Kalender zu streichen für dieses Jahr.

Es geht ja nicht bloß um die Geschenke. Da ist die kranke entfernte Verwandte, die verdreht und planlos von Hochrisikogebiet zu Hochrisikogebiet durch die Lande zieht, ohne Vorstellung davon, was an Vorsichtsmaßnahmen weshalb wie wo eingehalten werden soll, die einen Platz zum Leben sucht, überhaupt ihr Leben sucht, das ihr unter den Füßen zerronnen ist, und die immer wieder bei den alten Eltern eincheckt. Die hatten für Leute in Not stets eine offene Türe, und das ist gut so, aber das Abwägen der Risiken muss man mittlerweile für sie mitübernehmen - im Alter verändert sich der Blick  - und dann wäge ich ab und habe es doch nicht in der Hand.

Da ist der Job, den ich so gerne mache. Kaum einmal hat es einen Tag gegeben, da ich ungern hingegangen bin. Ich bin gerne mit den Leuten ´meiner´ Wohngruppe zusammen. Und jetzt will ich eigentlich dort sein, um die Lage etwas aufzuhellen, und will doch nicht, weil es so deprimierend ist und ich mit dem Gefühl heimgehe, ich kann keinem mehr gerecht werden. Wer sich ´draussen´, im ´normalen´ Leben, aufregt über Coronaregeln und Einschränkungen, der hat keine Vorstellung davon, was ´Besuchs – und Ausgangssperre´ und ´Quarantäne´ bedeuten fürs Dasein in einem psychiatrischen Pflegeheim, und wie es die trifft, die von ihrer Verfassung her ohnehin nicht die Möglichkeiten haben, mit denen wir ´Normalos´ uns so über die Runden retten. Das Wort ´Fest´ nimmt man schon gar nicht in den Mund, es wird keines geben. Und sie werden sehr alleine sein.

Es ist niederschmetternd. Dieses Kack-Virus. Man straft die, die man schützt. Es gibt überhaupt kein ´richtig´.

Ein Rechtstaat braucht Regeln, damit funktioniert er, mit Rechten, und deren Kehrseite, gegen die man auch klagen kann. Das kann ich verstehen, das finde ich auch gut. Um dauerhaft akzeptiert zu werden, braucht es trotzdem Spielraum und Mut - damit Platz ist für gute Geschichten.

Ich habe einen alten Freund wieder getroffen. Jahre, Jahrzehnte her ist das letzte Treffen. Rottweil ist ein guter Ort zum Zurückkommen. Ich bin nicht die Einzige, die das entdeckt hat. Dieser Freund stand mir nah, die ersten Ausflüge und später Urlaube ohne die Eltern unternahm ich mit ihm. Ein Mal waren noch eine Freundin und ein weiterer Freund dabei, der immerzu sagte „in der Ruhe liegt die Kraft“. Der sagte das so oft, dass wir es aufgriffen, es zum geflügelten Wort wurde, bei jeder Gelegenheit wiederholt, was den Verursacher mitunter furchtbar aufregte - das war einer, der alle Mühe hatte mit der Ruhe und deren innewohnenden Kraft.  In der Ruhe liegt die Kraft. Das sag ich mir jetzt auch. Tief durchatmen.

Ich sinne auf Notlösungen, in denen freilich so viel ´Not´ drin ist, dass sie als Lösung kaum mehr durchgehen. An Heilig Abend gibt es also auch in der Wohngruppe eine kleine Bescherung, und Musik aus der Konserve, und süße Düfte. Und am zweiten Weihnachtsfeiertag rücke ich mit Punsch und Bredle und Vorlesegeschichten an. Besser als nichts. Auch für die Verwandte habe ich ein Domizil gefunden, wo ich sie zur Not unterbringen kann. Die Tante sagt unseren Besuch bei ihr ab, das ist sehr schade, kommt aber nicht unerwartet. „Ihr mit Euren Zahlen!“, in Rottweil, sagt sie, das klingt wie eine Schuldzuweisung. Nachvollziehen kann ich die Absage, als sinnvoll ansehen auch. Der Kreis Rottweil hat derzeit die höchste 7-Tage-Inzidenzrate im Land. Im Ranking der besuchfähigen Landkreise haben wir damit den Schwarzen Peter. Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Der Landrat sagt das, was alle sagen, die sich an hohen Zahlen stören: das hängt mit den vielen Tests zusammen. Finde ich großartig.

Und dann gibt es doch noch Platz für eine gute Geschichte:

Mittlerweile war ich im Schwarzwald-Baar-Center gewesen. Dort, hatte eine Bekannte mir gesagt, der ich das Desaster mit dem Götterboten geschildert hatte, habe der Supermarkt eine gut sortierte Spielwarenabteilung. Ich verstehe den Frust des Einzelhandels, das ist voll unfair. Das ist voll fies - ich bin trotzdem hin, war froh, dass dieser Bereich nicht abgesperrt war, und habe eingekauft, jedem ein kleines und ein etwas größeres Geschenk und war beruhigt. Das Fest ist gerettet. Und dann telefonierte ich mit dem Opa wegen des Christbaums, und der sagte ganz nebenbei „hier steht übrigens noch ein Paket für Dich.“ Oh. „Von wem?“ „Mieiehtoohiehs“, in Zeitlupe. „Mytoys!“ Das ist es! Und da fiel´s mir ein. Ich hatte vom selben Unternehmen vor Jahren mal zu ihnen schicken lassen. Das Christkind ist ein zauberhaftes Wesen, das es schafft, in einer Nacht überall gleichzeitig zu sein. Aber von diesen Lieferungen sollten die Kinder nach Möglichkeit erstmal nicht wissen,  damit sie nicht vor der Zeit entdecken, dass  das Christkind eben auch Menschen aus Fleisch und Blut ist. Das muss man erstmal zusammenbringen. Jetzt hab ich Geschenke zuhauf und noch was übrig für den Osterhasen. Dem Lieferdienst habe ich eine weitere Mail geschickt: „Tut mir sehr leid. Jetzt hab ich alle jalous gemacht und an anderer Leute Seriosität und Korrektheit gezweifelt, wo ich selbst es versemmelt habe. Wenn man mal ein Beispiel braucht für ´peinlich´- das wäre eins. Ich bitte um Entschuldigung, bade in Asche und wünsche schöne Weihnachten.“

Das Christkind kommt. Und Oma und Opa werden kommen. Das Krippenspiel machen wir wieder selbst und OmaOpa geben die weisen Könige. Und statt zum gemeinsamen Singen vor dem Rathaus werden wir zusammen auf den Friedhof gehen und Kerzen anzünden. Und wenn wir wieder da sind, werden wie von Zauberhänden, die dem Nachbarn gehören, die Geschenke unterm Baum liegen, und es wird ganz bestimmt ein frohes Fest.

In diesem Sinne – allseits schöne Weihnachten. Machen wir das Beste draus.

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